HIV im Fokus – ein Mediziner im Interview

HIV bleibt eine der größten Gesundheitsbedrohungen der Welt, laut WHO betrug die Zahl der Neudiagnosen im Jahr 2022 1,3 Millionen, mehr als 39 Millionen Menschen leben weltweit mit HIV. In Deutschland leben rund 91.000 Menschen mit HIV, Tendenz steigend, so die Daten des RKI.

4 Fragen an Holger Rovini

Holger Rovini ist Medical Director bei ViiV Healthcare Deutschland und seit Jahren in der HIV-Welt tätig. Im Interview berichtet er über die Fortschritte der letzten Jahrzehnte und wohin die weitere Reise geht. Außerdem spricht er darüber, was die Welt-Aids-Konferenz so besonders macht.

In Deutschland leben rund 91.000 Menschen mit HIV – die Forschung hat in den letzten Jahren sehr viel erreicht. Wo stehen wir heute und wo siehst du noch Potenzial?
Wir sind in den letzten Jahren sehr weit gekommen. Selbst wenn eine Heilung bisher nur für eine Handvoll Menschen in sehr besonderen Situationen möglich war und weiterhin sein wird, hat sich die Situation für die allermeisten Menschen mit HIV stark gewandelt. Die Wirkstoffe werden immer besser, Therapieversagen ist sehr selten geworden, starke Neben- und Wechselwirkungen auch. Gleichzeitig wurde die Medikamenteneinnahme immer einfacher: waren zu Beginn der hochwirksamen HIV-Therapie meist noch drei Wirkstoffe in mehreren Tabletten mehrmals täglich nötig, ist für sehr viele Menschen mit HIV mittlerweile eine Tablette mit nur noch zwei Wirkstoffen einmal am Tag völlig ausreichend. Außerdem gibt es mit der PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) eine wirksame Präventionsmöglichkeiten - das sind großartige Erfolge.

Ein besonderer Meilenstein in den letzten Jahren ist die langwirksame injizierbare Therapie, die eine Alternative zur tägliche Tabletteneinnahme darstellt und die Lebensqualität von Menschen mit HIV weiter verbessern kann. Doch die Forschung hält nicht an: Wir arbeiten an noch länger wirksamen Medikamenten zur Behandlung und Prävention von HIV, um noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, auf die tägliche Tabletteneinnahme zu verzichten. Eine langwirksame Injektionstherapie kann dabei unterstützen, ein weitestgehend normales und uneingeschränktes Leben führen zu können.

Menschen mit HIV begegnen häufig Stigmatisierung und Diskriminierung. Es gibt viele Mythen – was sind die Größten in Bezug auf HIV/Aids?
Woran es weiterhin mangelt, ist eine Veränderung der Wahrnehmung von HIV in der Öffentlichkeit. Das Stigma ist geblieben, das Wissen um N=N - das heißt ‘nicht nachweisbares Virus im Blut = nicht ansteckend’ - ist nach wie vor sehr klein in der breiten Bevölkerung. Um ein paar Zahlen zu nennen: in Deutschland sind über 90 Prozent der HIV-positiven Menschen bereits diagnostiziert, von diesen sind 95 Prozent auf einer HIV-Therapie, wovon wiederum 95 Prozent erfolgreich das Virus im Blut unterdrückt haben, man spricht von „supprimiert“, also nicht nachweisbar.
Das bedeutet, fast alle Menschen mit HIV können ein Leben führen, in dem sie für niemanden – nicht beim Geschlechtsverkehr, nicht bei der Geburt, nicht beim Zahnarzt – ansteckend sind. Dabei unterscheidet sich die Lebenserwartung im Grunde nicht mehr von der einer HIV-negativen Person - bei anderen chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes sieht es schlechter aus.

Die Bilder und die Erinnerung an die vielen, auch prominenten, Aids-Toten der 80er und 90er Jahre haben unsere kollektive Wahrnehmung bis heute geprägt – der medizinische Fortschritt wird daher in der Öffentlichkeit nicht ausreichend wahrgenommen.

In wenigen Wochen findet die Welt-Aids-Konferenz (AIDS) in München statt, bei der mehr als 15.000 Besucher aus aller Welt erwartet werden - auch ViiV Healthcare ist hier vertreten. Was macht die AIDS so besonders?
Diese Konferenz bringt hier in München Wissenschaftler, Ärzte und Aktivisten aus der ganzen Welt zusammen – und wir sind mittendrin. Direkt vor unserer Haustür können wir zeigen, dass wir Innovationsführer für langwirksame Medikamente in der Therapie und Prävention von HIV sind. Wir freuen uns auf den Austausch, auf fruchtbare Anregungen und Denkanstöße für alle, um die besonderen Herausforderungen und Bedürfnisse von Menschen mit HIV anzugehen. Das kann auch mal unbequem sein, besonders Industrieunternehmen werden oft herausgefordert, aber genauso geschieht Fortschritt. Und genau hier finden wir alle unsere Motivation, uns täglich wieder unseren Herausforderungen zu stellen, weiterzumachen, Dinge zu überdenken, anders, besser zu handeln, im Sinne der Menschen mit HIV in der ganzen Welt.
Neben den sehr relevanten neuen Daten, die ViiV hier zeigen wird, sind wir sehr stolz, ein starker Partner der Community zu sein: als Sponsoren des sogenannten Global Village, in dem sich zahlreiche, oft sehr bunte Initiativen und Verbände aus der ganzen Welt präsentieren. Dieser Teil der Konferenz ist für alle gratis zugänglich—ich rate jedem, der zu dieser Zeit in München ist, vorbeizuschauen.
Ein weiteres Highlight ist für uns auch die Kunstausstellung HIV Science as Art der Münchner Aids-Hilfe, die wir als ViiV Healthcare unterstützen. 12 Künstler aus der ganzen Welt, die mit HIV leben, haben zusammen mit bei der AIDS vertretenen Wissenschaftlern Kunstwerke erarbeitet, die sie hier gemeinsam präsentieren. Die Ergebnisse sind beeindruckend und können in der parallel zur Konferenz stattfindenden, frei zugänglichen Ausstellung besichtigt werden. Der Erlös aus der anschließenden Online-Versteigerung der Kunstwerke kommt Projekten der HIV-Community in Osteuropa, Asien und Afrika zugute.

Etwas Persönliches: Du bist seit fast 4 Jahren bei ViiV beschäftigt. Was macht die Arbeit bei ViiV für dich so besonders?
Das Gefühl, in dieser immer noch recht kleinen Organisation wirklich etwas bewegen zu können. Ärzte und Community-Organisationen, die uns als starke Partner wahrnehmen. Die klare Vision – wir sind da, bis es HIV & Aids nicht mehr gibt – gekoppelt mit der Mission - wir lassen niemanden zurück. Das wird von uns allen bei ViiV Healthcare wirklich gelebt. Wir sind dafür gerade wieder – zum 11. Mal in Folge – in der PatientView Umfrage 2023/2024 (PDF 0,5 MB) als Nr. 1 unter den Patientengruppen, die mit dem Pharmaunternehmen vertraut sind, ausgezeichnet worden. Und: wir sind bunt! Gelebte Vielfalt ist Teil unserer DNA.