Deutschland als Spitzenstandort für klinische Studien

Wie kann Deutschland seine Position in der klinischen Forschung stärken? Wir sprachen mit Dr. Kai Richter, Vice President & Country Medical Director, GSK Deutschland anlässlich der YES!CON in Berlin.

Wissenschaftlerin an einem Mikroskop

Der Studienstandort Deutschland ist im internationalen Vergleich von Platz 2 auf Platz 7 abgefallen. Welche Konsequenzen drohen für die Patienten?

Portrait Kai Richter

Dr. Kai Richter: Deutschland steht an einem kritischen Wendepunkt: Der Standort für klinische Forschung hat im internationalen Vergleich an Bedeutung verloren. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für die Innovationskraft unserer Gesundheitsbranche und vor allem für die Patientinnen und Patienten. Es ist höchste Zeit, dass wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Deutschland wieder an die Spitze zu bringen.

Klinische Studien sind keine akademische Übung – sie sind der essenzielle Schritt, um neue, lebensrettende Therapien zu entwickeln. Sie bringen medizinische Innovationen vom Labor ans Krankenbett und bieten Patientinnen und Patienten, insbesondere jenen mit schweren oder seltenen Erkrankungen, oft die einzige Hoffnung auf eine wirksame Behandlung. Wenn diese Studien zunehmend in den USA, China oder anderen Ländern durchgeführt werden, verlieren wir in Deutschland den Zugang zu diesen wichtigen medizinischen Fortschritten.

Warum hat Deutschland Probleme, bei neuer medizinischer Forschung mitzuhalten?

Dr. Kai Richter: Die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, sind vielfältig: langwierige Genehmigungsverfahren, überbordende Bürokratie, uneinheitliche Datenschutzregelungen und ein Mangel an digitaler Infrastruktur. Diese Hindernisse machen Deutschland im internationalen Wettbewerb zunehmend unattraktiv. Studienzentren verlieren den Anschluss an globale Forschungsnetzwerke, und unsere Ärztinnen und Ärzte verpassen die Gelegenheit, frühzeitig Erfahrungen mit neuen Wirkstoffen zu sammeln.

Welche Schritte sind notwendig, um die medizinische Forschung in Deutschland zu verbessern?

Dr. Kai Richter: Um diese Hindernisse zu überwinden, brauchen wir pragmatische Lösungen, wie sie beispielsweise im Rahmen der YES!CON diskutiert wurden. Genehmigungsverfahren müssen deutlich verkürzt werden. Das Medizinforschungsgesetz (MFG) ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber die Umsetzung muss konsequent erfolgen. Die Vertragsverhandlungen zwischen Sponsoren und Studienzentren dauern in Deutschland überdurchschnittlich lange. Hier brauchen wir Standardverträge und klare Kostenkataloge. Deutschland hinkt bei der Rekrutierung von Studienteilnehmern hinterher. Wir müssen zentrale Systeme zur Identifikation geeigneter Patientinnen und Patienten entwickeln und digitale Rekrutierungstools nutzen. Datenschutz ist wichtig, aber er darf die Forschung nicht behindern. Wir brauchen eine einheitliche und pragmatische Regelung, die den Zugang zu medizinischen Daten für Forschungszwecke ermöglicht.

Was kann GSK dazu beitragen, die medizinische Forschung in Deutschland zu verbessern?

Dr. Kai Richter: Es reicht nicht, nur auf die Politik zu schauen. Auch die forschende Pharmaindustrie muss ihre Verantwortung wahrnehmen. Wir müssen Studien patientennäher und effizienter gestalten, Studienprotokolle gemeinsam mit Patienten entwickeln und auf hybride oder dezentrale Studiendesigns setzen. Eine klare und transparente Kommunikation ist dabei unerlässlich.

Welche Themen liegen GSK besonders am Herzen?

Dr. Kai Richter: Neben laienverständlichen, barrierefreien Informationsmaterialien ist ein bundesweites Studienregister (für Patienten) überfällig. Nur wenn Studien als verständlich, sicher und relevant wahrgenommen werden, steigt die Teilhabe. Dafür braucht es niedrigschwellige Angebote und eine stärkere Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen. Ein nationales, patientenfreundliches Studienregister würde Transparenz schaffen und die Teilnahme an Studien erleichtern. Ein solches zentrales und gut strukturiertes Register sollte alle laufenden Studien in Deutschland bündeln, mit Filterfunktionen nach Erkrankung, Region und Zielgruppe.

FAZIT
Deutschland hat das Potenzial, wieder zur internationalen Spitze in der klinischen Forschung aufzuschließen. Dafür müssen wir jetzt die richtigen Weichen stellen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Unsere PatientInnen verdienen nichts weniger als den besten Zugang zu den innovativsten Therapien.