Einblick in den Impfstoffbetrieb der Zukunft
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14 November 2021

Wird ein Impfstoff benötigt, stehen meist Menschenleben auf dem Spiel und der Faktor Zeit ist von entscheidender Bedeutung. In der Regel ist die sichere und wirksame Impfstoffentwicklung ein sehr zeitintensiver Prozess und kann oft mehr als ein Jahrzehnt dauern. Das liegt zum Teil daran, dass es sehr viele Phasen in der Entwicklung gibt, die eine wesentliche Rolle in der Impfstoffherstellung spielen. Digitale Technologien sind ein spannender Weg, wie wir bei GSK Impfstoffe entwickeln: Wir bilden den gesamten Entwicklungsprozess eines Impfstoffs von Anfang bis Ende nach – auch bekannt als „Digital Twin“ oder auf Deutsch „digitaler Zwilling“.
Die Phasen der Impfstoffentwicklung
Die klassische Impfstoffentwicklung und -produktion verläuft in vielen Phasen. Jede Phase ist bis zu einem gewissen Grad digitalisiert, aber nur wenige sind digital miteinander verbunden. Diese Phasen umfassen:
- Verstehen des Erregers durch genetische Sequenzierung und andere Methoden
- Auswahl des vielversprechendsten Impfstoffkandidaten
- Umfangreiche präklinische Tests, einschließlich Proof-of-Concept-Studien
- Entwicklung der Herstellungsverfahren des Impfstoffs
- Robuste klinische Studien an freiwilligen Testpersonen zur Bewertung von Sicherheit und Wirksamkeit
Die gewonnenen Erkenntnisse bilden dann die Grundlage für die Beantragung und Zulassung des Impfstoffs. Nach der Zulassung wird der Impfstoff in großen Mengen hergestellt und vertrieben – mit erheblicher Vorlaufzeit für die Qualitätskontrolle.
Jeder dieser Schritte und deren Verknüpfung benötigt sehr viel Zeit und Ressourcen. Aus diesem Grund setzen wir bei GSK auf die Digitalisierung, um den Prozess zu beschleunigen. In Zusammenarbeit mit Siemens und Atos, zwei der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der digitalen Transformation und Technologie, haben wir einen digitalen Zwilling pilotiert – eine vollständige Echtzeitsimulation des gesamten Impfstoffherstellungsprozesses.
Was ist ein digitaler Zwilling?
Ein digitaler Zwilling bildet einen Prozess, ein Produkt oder eine Dienstleistung virtuell nach. Angewandt auf die Impfstoffherstellung, verbindet ein digitaler Zwilling die virtuellen und realen Bereiche der Entwicklung und Herstellung in einem geschlossenen Kreislauf, um von Anfang an Erkenntnisse in Echtzeit zu sammeln. Ist ein digitaler Zwilling mit dem realen Prozess verbunden, senden die physikalischen Sensoren Daten an den Zwilling, und die simulierten Erkenntnisse werden an das Steuerungssystem zurückgespielt, um den Prozess optimal zu gestalten. Man kann sich das so vorstellen, dass ein reales Experiment ein computersimuliertes (in silico) Experiment informiert und umgekehrt, so dass beide so effizient wie möglich werden können – und das in einem geschlossenen Kreislauf. In der Automobilindustrie werden digitale Zwillinge bereits genutzt. Designs werden hier oft digital modelliert und auf vielfältige Weise am Computer getestet, bevor ein Auto überhaupt gefahren wird: Der digitale Zwilling steuert den Fahrprozess auf Grundlage aller Daten aus dem realen Prozess, um die Qualität sicherzustellen, so wie ein selbstfahrendes Auto das Fahrzeug auf Basis der vom Auto und den Sensoren, der Kamera usw. gesammelten Daten steuert.
Diese digitale Technologie ermöglicht es uns, zu simulieren, genau zu überwachen, Fehler vorauszusehen, die Qualität zu optimieren und selbst zu lernen. Die aus dem realen Lauf gewonnenen Leistungsdaten fließen in den Entwicklungsprozess ein und unterstützen, Produkte und Prozesse in einem frühen Stadium zu optimieren. All das hilft uns dabei, den Herstellungsprozess von Impfstoffen zu beschleunigen und die Menschen schneller mit Impfstoffen versorgen zu können.
Einsatz digitaler Zwillinge bei GSK
Im erfolgreich abgeschlossenen Proof-of-Concept-Projekt mit Siemens und Atos wurden Partikel eines Impfstoffadjuvans* hergestellt. Seither sind digitale Zwillinge bei GSK Realität und werden schrittweise in unsere Entwicklungsaktivitäten implementiert. Neben der Produktion erforschen wir auch das Potenzial eines digitalen Zwillings im Bereich der Impfstoffforschung und -entwicklung. Eine Kombination aus High-Troughput-Experimenten und Zwillingsmodellen könnte schnell Daten liefern, die zur Bestätigung von Theorien benötigt werden. Im weiteren Verlauf könnte ein digitaler Zwilling die Anzahl notwendiger realer Experimente verringern. Dadurch werden weniger Materialien und weniger Energie verbraucht, was der Forschung und Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen würde.
Das Prinzip der "Co-Simulation" ist für uns bei GSK das Schlüsselelement. Digitale Zwillinge einzelner Teilprozesse werden zuerst erstellt und dann zu einem späteren Zeitpunkt in einem Ökosystem kombiniert.
Der Einsatz von digitalen Zwillingen macht eine schnellere, sparsamere und ressourcenschonendere Impfstoffentwicklung und -herstellung möglich. All das trägt dazu bei, die Gesundheit von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern.
* Ein Adjuvans kann einem Impfstoff zugegeben werden, um das Immunsystem zu einer stärkeren Reaktion gegen das Antigen anzuregen. Das bedeutet, dass weniger Antigen für das gleiche Ergebnis benötigt wird.